WAZ: Das Jobwunder gehört vielen, nur nicht der FDP. Leitartikel von Stefan Schulte

Widersprüche sind für Politiker kein Problem, so
lange sie weit genug auseinander liegen. So hat noch jede Regierung
in Krisenzeiten betont, die Politik könne keine Arbeitsplätze
schaffen. Und noch jede Regierung hat im Aufschwung den Eindruck
geweckt, genau das getan zu haben. Einzig deshalb drängelte sich
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vor und verkündete schon
gestern die heute veröffentlichte Arbeitslosenzahl. Erstmals seit der
Krise sind wieder weniger als drei Millionen Menschen arbeitslos. Die
Regierung will der Republik sagen: Seht her, das ist unser Jobwunder.
Es muss Zufall sein, dass zuvor Altkanzler Schröder sich aus dem Off
gemeldet und das Jobwunder für sich reklamiert hatte.

Wahr ist: Beiden gehört dieses Jobwunder ein bisschen, zum
allergrößten Teil aber ist es der Konjunktur gedankt. Die Unternehmen
stellen ein, weil sie wieder Aufträge haben, und sie haben wieder
Aufträge, weil Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien in
unglaublichem Tempo wachsen. Deren Wirtschaftswunder machen unser
Jobwunder.

Bevor Skeptiker wieder argwöhnen, die Zahlen seien geschönt: Ja,
das sind sie, aber weniger als früher. Alle Ein-Euro-Jobber, Kranken
und sonstwie herausgerechneten mitgerechnet, haben wir rund 4,1
Millionen Arbeitslose. Das sind 340 000 weniger als vor einem
Jahr. Diese Zahl ist stärker gesunken als die offizielle. Das
Jobwunder ist real.

Daran hat die Politik ihren Anteil. Der Arbeitsmarkt ist in
Deutschland stabiler durch die Krise gekommen als anderswo. Den Neid
unserer Nachbarn haben wir uns verdient – mit einem einzigartigen
Beschäftigungspakt zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und der
Politik. Sie hat die Kurzarbeit ausgeweitet, noch nie wurden damit so
viele Arbeitsplätze gerettet. Das geht noch auf das Konto der Großen
Koalition unter Merkel und mit einem SPD-Arbeitsminister. Wenn sich
eine Partei damit nicht brüsten darf, dann die FDP. Sie nannte die
Kurzarbeit in der Opposition eine „Lizenz zum Ausplündern der
Sozialkassen“ und setzte in der Regierung eine Verkürzung durch.

Und, ja, auch Schröders Agenda 2010 hat bei all ihren Fehlern und
Härten ihren Anteil. Dass Sozialhilfeempfänger in die Jobcenter
geschickt wurden, war richtig. Und Hartz IV ist sicher ein Anreiz,
Arbeit zu suchen. Wer das bezweifelt und vorrechnet, mancher stehe
ohne Arbeit besser da als mit, muss vergessen haben, dass Hartz IV
die teils deutlich höhere Arbeitslosenhilfe ersetzt hat. Die Politik
hat ihren Anteil am Jobwunder. Mal schauen, ob sie auch zu ihrem
Anteil an der nächsten Krise stehen wird.

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