WAZ: Der Christ als Bürger – Kommentar von Angelika Wölk

Der Evangelische Kirchentag ist in Dresden, wo nur
20 Prozent der Bewohner Christen sind, kein Fremdkörper geworden. Im
Gegenteil: Es waren fromme, stimmungsvolle und heitere Festtage vor
grandioser barocker Kulisse, die auch Kirchen-ferne Zaungäste in
ihren Bann gezogen haben. Die Dramaturgie dieses Kirchentags stimmte.
Dass die Zahl der Christen im atheistischen Osten nun allerdings
steigt, ist eher unwahrscheinlich. Aber die Christen, die sich im
Alltag stets ihrer Minderheit bewusst sind, konnten eine neue
Erfahrung machen: Sie haben erlebt, dass sie eigentlich ganz viele
sind. Dresden hat aber noch eine andere Erkenntnis gebracht: Die Zeit
der heißen politischen Debatten auf Kirchentagen ist vorbei. Obschon
dies eines der politischsten Treffen seit langem war. Doch in Dresden
zählte das Argument, nicht der Schwarz-Weiß-Konflikt, nicht die
Gewissheit der allein selig machenden Ideologie. Über Friedensethik
und Atomkraft wurde differenziert diskutiert. Und vielleicht war das
auch gerade Ausdruck eines neuen Anspruchs der Christen als Bürger:
des Anspruchs, bei politischen Entscheidungen mitreden zu wollen.

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