WAZ: Die Atomdebatte im Atomkonzern – Kommentar von Stefan Schulte

Für Jürgen Großmann muss dieses Bild
regenbogenfarbenen Protestes ein Kulturschock gewesen sein:
Atomkraftgegner direkt vor seinem Rednerpult. Vor einem Jahr hätte
man sie als Öko-Fundamentalisten herauskomplimentiert – und fertig.
Doch im Jahre null nach Fukushima verkörpern sie in radikaler Weise
eine breite Mehrheitsmeinung. Das macht die Debatte um den
RWE-Atomkurs so gefährlich für den Konzern. Großmann kann dreimal
Recht mit seiner Klage gegen die Stilllegung von Biblis A haben – und
juristisch hat er Recht. Doch was nützt das, wenn er als letzter
Vorkämpfer für eine Technologie dasteht, die wahrscheinlich selbst
seine Kunden nicht mehr wollen? Im schlimmsten Fall verliert RWE
Kunden an seine nicht minder auf Atomkraft setzende Konkurrenz, nur
weil die ihre Füße still hält. Das kann man verlogen nennen, aber am
Ende läuft die Speerspitze ins Leere und nicht das Diplomatenkorps
dahinter. Jeder mag zum Atomkonflikt stehen, wie er will – offen im
Konzern ausgetragen schadet er dem Unternehmen nur. Das müssen sich
auch die Städte vorhalten lassen, die als Aufsichtsräte bisher fast
alles abnickten und nun plötzlich die Tagespolitik in den Konzern
tragen. Dass sie gerade mit der Steag samt Uralt-Kraftwerkspark einen
RWE-Konkurrenten aufbauen, macht sie nicht glaubwürdiger.

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