WAZ: Die SPD und ihr Vorsitzender – Gabriel, der Zampano – Kommentar von Miguel Sanches

Für Politiker sind Umfragen wie der Blick auf die
Tabelle für den Sportler. Die SPD steht oben, nahezu auf Augenhöhe
mit der Union. Das ist zwar nur ein Zwischenstand. Aber er hat was
Tröstliches – nach der brutalen Abwahl im September 2009. Der
Muntermacher und Taktgeber ist Parteichef Sigmar Gabriel. Von allen
Cowboys in der Berliner Politik schießt er am schnellsten. Macht er
sich selbst interessant oder auch die SPD? Nicht alles, was er sagt,
klingt durchdacht. Vieles wirkt hektisch, effekthaschend,
populistisch. Er ist schrill und auf allen Kanälen präsent. Neben ihm
kommen andere zu kurz. Fehlt Fraktionschef Steinmeier, spürt man,
dass etwas aus der Balance gerät. Für das Jahr nach der Abwahl war
Gabriel der richtige Mann. Aber wenn er Kanzlerkandidat werden will,
sollte Gabriel an sich arbeiten. Einen Zampano werden die Deutschen
nicht ins Kanzleramt wählen. Wenn er sich nicht zurücknimmt, wird es
Angela Merkel bald gelingen, sich neben ihm als seriöse und feste
Größe zu profilieren. Er sollte sein Augenmerk stärker auf die Partei
richten, auf die inneren Reformen. Die SPD profitiert in erster Linie
von der Schwäche von Schwarz-Gelb. Bald wird man mit mehr Ungeduld
und weniger Nachsicht nach der Alternative der Gabriel-SPD fragen.

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