Es ist noch nicht lange her, dass die USA und China
als neues Traumpaar galten. Die Denkfabriken schwärmten von
„Chimerica“, der Kombination von alter und neuer Supermacht, ohne
deren abgestimmtes Zusammenspiel auf dem Globus nicht mehr viel geht.
Längst ist diese Vision zerplatzt. Die letzten Monate haben die
tiefen Risse im Verhältnis der beiden Mächte offenbart. Misstrauisch
belauern sich die USA und China. Erkennbar haben die USA Mühe, sich
mit dem rasanten Aufstieg Chinas zur neuen wirtschaftlichen
Supermacht abzufinden. Die Finanzkrise hat diese Entwicklung
be-schleunigt. Die Machtverschiebung zu Gunsten des Aufsteigers ist
tatsächlich der Beginn einer Epochenwende, die das Interim der USA
als einziger verbliebener Supermacht auf dem Globus beendet. China
ist sich seiner neuen Stärke bewusst. Mit einem Selbstbewusstsein,
das zuweilen in Arroganz umschlägt, unterstreicht China seine Rolle
als Global Player, der seinen Einfluss dank Pekings immenser
Geldreserven weltweit ausweitet. Chinas militärische Aufrüstung
bereitet den USA zusätzliches Unbehagen. Der Staatsbesuch des
chinesischen Präsidenten in den USA kommt zu einem kritischen
Zeitpunkt. Die Visite wird Aufschluss geben, wie sich das Verhältnis
der beiden Großen gestaltet. Es geht nicht nur um Wirtschaftsfragen,
um den taumelnden Dollar und den zu niedrigen Yuan. Es ist auch ein
Wettkampf um Werte und Überzeugungen. Der leere Stuhl von Oslo muss
für Friedens-Nobelpreisträger Obama Verpflichtung sein, Chinas
eklatantes Defizit bei den Bürgerrechten anzusprechen. Zu Recht
wollte Obama Peking auch daran erinnern, dass die neue Rolle als
Großmacht China in größere Verantwortung für die Lösung regionaler
Krisenherde von Nordkorea bis Iran zwingt. Auch nach dem Gipfel
werden die Meinungsverschiedenheiten nicht ausgeräumt sein. Nach den
Nadelstichen der jüngsten Vergangenheit geht es vor allem um
Atmosphärisches. Auch Hu, der 2012 abtritt, hat kein Interesse,
seinem Nachfolger einen Scherbenhaufen im amerikanisch-chinesischen
Verhältnis zu hinterlassen. Labil wird das Verhältnis aber auf lange
Sicht bleiben. Fazit: Auch nach dem Gipfel bleibt offen, ob sich
beide Großmächte als konkurrierende Partner oder potenzielle Gegner
verstehen. Dabei sind beide aufeinander angewiesen. Die hoch
verschuldeten USA brauchen Chinas Geldspritzen, Chinas Export braucht
Amerikas Märkte. Hahnenkämpfe um den Platz an der Spitze schaden nur.
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