WAZ: Ein Abwehrgefecht. Kommentar von Dietmar Seher

Es ist nur noch ein bloßes Abwehrgefecht, das die
schwarz-gelbe Bundesregierung um den Bahnhof Stuttgart 21 führt. Sie
hat sich – wie die SPD übrigens auch – lange Zeit für dieses
Mega-Projekt stark gemacht. Die Kanzlerin hat sich für den Neubau in
die Bresche geworfen. Baden-Württembergs Christdemokraten spüren,
dass die Gegner nicht nur den Bahnhof bekämpfen, sondern auch die
Machtfrage im Ländle stellen.

Stellt sich jetzt heraus, dass die für das Projekt entscheidende
Neubaustrecke nach Ulm nie wirtschaftlich betrieben werden kann, käme
dies einem politischen Desaster für seine Befürworter gleich. Was
könnten sie noch den Argumenten der bürgerlichen Demonstranten
entgegensetzen, die die Sache für eine gigantische Geldverschwendung
zu Lasten der nächsten Generationen halten? Was sollten sie den
Bundesländern sagen, die – wie Nordrhein-Westfalen – zugunsten
Stuttgarts auf den dringenden Ausbau ihrer Verkehrsinfrastruktur
verzichten müssen?

Deshalb also wird bei der neuen Wirtschaftlichkeitsberechnung um
jede Stelle hinter dem Komma gerungen. Beide Seiten tun dies mit
verbalen Tricks und rechnerischen Winkelzügen. Dabei war man sich
doch gerade einig, dass die Menschen mehr Ehrlichkeit von der Politik
erwarten.

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