WAZ: Ein bisschen mehr Lebensnähe bitte – Kommentar von Sven Frohwein

Noch immer ist die Rechtsprechung deutscher Gerichte
Lichtjahre entfernt von der Lebenswirklichkeit junger Menschen –
zumindest beim Thema Internet. Das BGH-Urteil macht da eine Ausnahme.
Inhaber des Internet-Anschlusses haften nicht für illegale
Netz-Aktivitäten von Familienangehörigen, schon gar nicht, wenn diese
18 Jahre oder älter sind. Erziehungsberechtigte müssen den
volljährigen Nachwuchs auch nicht über illegale Aktivitäten im
Internet belehren.

Der Fall Redtube aber zeigt, was passiert, wenn Richter wenig
Ahnung von der Materie haben: Nutzer des Pornografie-Angebots waren
abgemahnt worden, weil sie sich Filme auf der Webseite angeschaut
haben sollen. Die Abmahn-Anwälte argumentierten, dabei seien
Urheberrechte verletzt worden. Weil die Gerichte das Herunterladen
mit dem Schauen von Filmen verwechselt hatten, waren Nutzerdaten
freigegeben worden.

Die Richter haben längst Fehler eingeräumt. Ein Urteil, ob das
Schauen von möglicherweise illegal eingestellten Filmen einen
Rechtsverstoß darstellt, steht aber noch aus. Bleibt zu hoffen, dass
die Richter mehr Sorgfalt walten lassen – und ebenso viel Lebensnähe
beweisen wie die BGH-Kollegen.

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 – 804 6519
zentralredaktion@waz.de

Weitere Informationen unter:
http://