WAZ: Eine Alibi-Diskussion – Kommentar von Angelika Wölke

Jan O., der mutmaßliche Kindermörder von Bodenfelde,
missbrauchte soziale Netzwerke, um mit seinen schrecklichen Taten zu
prahlen. Das ist grausam, keine Frage. Jetzt aber erneut die
Diskussion nur auf mehr Sicherheit und Kontrolle im weltweiten Web zu
beschränken, wäre falsch. Nach jetzigem Ermittlungsstand hat der
vermeintliche Täter seine Opfer nicht im Netz gefangen. Es waren
Zufallsbekanntschaften auf der Straße. Brutale Morde, wie sie auch in
der Zeit vor dem Internet leider immer wieder begangen wurden.
Erinnert sei nur an die bestialischen Taten von Jürgen Bartsch, der
in den 60er-Jahren vier Kinder in einem Luftschutzkeller in
Langenberg vergewaltigte und tötete. Bei aller Trauer um die beiden
jungen Menschen, macht der Fall eines deutlich: Die Polizei kam dem
mutmaßlichen Täter so schnell auf die Spur, weil ein junges Mädchen
überlegt handelte. Aufklärungskampagnen müssen Jugendliche von diesem
Verhalten überzeugen, ihnen Mechanismen vermitteln, sie
sensibilisieren. Jetzt nur das Internet zu verteufeln, würde dem
Problem nicht gerecht, wäre lediglich eine hilflose
Alibi-Veranstaltung.

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