WAZ: Eine Zäsur für Tengelmann – Kommentar von Frank Meßing

Schätzlein, Coop, Extra, Accos, Akzenta – viele
klangvolle Namen deutscher Supermarkt-Ketten sind längst
verschwunden. In die Ahnengalerie muss sich nun auch
Kaiser–s/Tengelmann einreihen. Der Konzentrationsprozess im
Lebensmittelhandel geht mit Wucht weiter. Edeka und Rewe können sich
nun auf dem Feld der Supermärkte mit Bedientheken die Bälle zuwerfen.

Tengelmann hat den ruinösen Wettbewerb in der Branche endgültig
verloren. Das einst so stolze Mülheimer Handelshaus musste seit dem
Ende der 90er-Jahre ein Geschäftsfeld nach dem anderen aufgeben. Nun
verabschiedet sich Tengelmann vollends aus dem Lebensmittelhandel und
hofft, dass zumindest der Name Kaiser–s überleben wird. Eine Zäsur.

Und wieder einmal sind es die Mitarbeiter, die die Hauptlast
dieses erbarmungslosen Strukturwandels tragen. Ob Edeka alle 451
Kaiser–s/Tengelmann-Filialen fortführen wird, ist offen. Wie bei
jeder Fusion wird es eine Bereinigung von Doppelstandorten geben.
Karl-Erivan Haub selbst beklagt ja immer wieder, dass es in
Deutschland zu viel Einzelhandelsfläche gibt.

Eine schwierige Rolle kommt aber auch auf das Bundeskartellamt zu.
Untersagt es die neuerliche Konzentration, sind alle 16 000
Arbeitsplätze bei Kaiser–s/Tengelmann gefährdet. Nachdem die
Beschäftigten schon seit drei Jahren auf Lohn verzichten, um das
Unternehmen zu stabilisieren, stehen ihnen weitere bange Monate
bevor.

Das Aus für Kaiser–s/Tengelmann kann aber auch eine schlechte
Nachricht für Lebensmittel-Erzeuger und Verbraucher sein. Edeka,
Rewe, Aldi und Lidl vereinen künftig noch mehr Marktmacht auf sich.
Da hilft auch nicht der Blick ins Ausland, wo der Wettbewerb längst
nahezu zum Erliegen gekommen ist.

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