WAZ: Ende der Tarifeinheit – Eine Frage des Klimas – Leitartikel von Stefan Schulte

Das Bundesarbeitsgericht hat die Tarifeinheit
gekippt. Die Entscheidung lässt sich nicht kritisieren, sie ist
schlicht dem Umstand geschuldet, dass die Tarifeinheit ein
ungeschriebenes Gesetz war. Damit fehlt die Grundlage, dem einzelnen
Beschäftigten die Freiheit zu nehmen, sich seine Gewerkschaft
auszusuchen. Gleichwohl steht außer Zweifel, dass die bisherige
Praxis gut für den Betriebsfrieden war. Wie sehr das Klima vergiftet
werden kann, wenn ein paar Kollegen für sich selbst kämpfen, hat der
spektakuläre Lokführer-Streik 2007 eindrucksvoll gezeigt. Ohne ein
neues Gesetz zur Tarifeinheit wird die Republik derlei Schauspiele
künftig häufiger erleben. Das kann sich niemand wünschen. Dass
einzelne Berufsgruppen mehr Geld für sich herausschlagen, nur weil
sie die Macht haben, ihren Betrieb lahmzulegen, ist ihren weniger
exponierten Kollegen gegenüber unfair. Das Fußvolk zahlt seine
Ersetzbarkeit schon mit niedrigeren Löhnen. Nun kann nur noch der
Gesetzgeber die Tarifeinheit retten. Obwohl das Gericht die
Entscheidung seit einem halben Jahr angekündigt hat, wirkte die
Regierung gestern reichlich unvorbereitet, Dabei drängt die Zeit.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, selbst die Spartengewerkschaften haben
ein Recht zu erfahren, wie es weitergeht.

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