WAZ: Ende des Schweigens. Kommentar von Dietmar Seher

Der Jesuit Klaus Mertes hat 2010 die weit
zurückliegenden Missbrauchsfälle an seinem Berliner Kolleg öffentlich
gemacht. Die dann folgende Lawine der Offenbarungen lange
zurückliegenden Unrechts an Kindern und Jugendlichen riss nicht nur
die katholische Kirche mit, sondern auch zahlreiche protestantische,
staatliche und private Institutionen.

Die Gesellschaft mag die Welle der Geständnisse als bedrückend
empfunden haben. Für viele der Opfer aber war das Ende des Schweigens
wie ein Aufbruch in die Freiheit.

Es ist notwendig, längst vergessenen sexuellen Missbrauch
aufzudecken. Dazu bedarf es der Ermittlungen der Strafverfolger und
der Instrumente des Strafrechts. Derzeit gelten zu enge
Verjährungsfristen. Sie schützen nicht nur die Täter. Sie zementieren
auch traumatische Erfahrungen der Opfer.

Es wird, wenn sich die Justizminister der Länder durchsetzen, zu
Freisprüchen aus Beweisnot kommen – und sicher nicht selten zu
unangenehmen Situationen für die Opfer im Prozess. Aber diese können
entscheiden, ob sie das Risiko eingehen wollen. Heute bleibt ihnen
selbst das verwehrt.

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