Premierminister Erdogan hat die Wahlen in der Türkei
gewonnen, zum dritten Mal in Folge. Aber der erhoffte Triumph ist
dieser Wahlsieg für ihn nicht. Erdogan hat sein erklärtes Wahlziel
verfehlt: eine Mehrheit, die es ihm ermöglicht hätte, die türkische
Verfassung nach eigenem Gutdünken zu ändern. Jetzt muss er den
Konsens mit anderen Parteien suchen. Erdogans Plan, eine
Präsidialverfassung mit weitgehenden Vollmachten für das
Staatsoberhaupt einzuführen, um dann selbst ins höchste Staatsamt
aufzurücken, ist damit wohl erst einmal vom Tisch. Das ist gut für
die Türkei und ihre Partner. Es ist gut für die Türkei, weil das Land
keinen starken Mann braucht, sondern eine starke Demokratie.
Unstrittig ist: Die Türken verdienen eine neue Verfassung. Das
geltende Grundgesetz wurde 1982 während der damaligen Militärdiktatur
konzipiert. Es ist vor allem darauf angelegt, den Staat vor seinen
Bürgern zu schützen. Erdogan täte gut daran, seine
Präsidentschaftsträume zurückzustellen. Die jetzt bevorstehende
Debatte über eine neue Verfassung ist wichtig, aber sie darf nicht
dazu führen, dass sich Politiker und Parteien über Monate hinweg mit
nichts anderem beschäftigen.
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