WAZ: Es gärt überall – Kommentar von Martin Gehlen

Ägypten macht Weltgeschichte. Der Millionen-Jubel
auf dem Tahrir-Platz zog am Ende den ganzen Globus mit in seinen
Bann. Tunesien war das erste schwere Donnergrollen, Ägypten jetzt der
politische Vulkanausbruch im Zentrum der arabischen Welt. Der Orient
erlebt seinen eigenen Fall der Mauer – einer Mauer aus
Machtmissbrauch und Polizeiterror, aus Ignoranz und erzwungener
politischer Unmündigkeit. Keines der Regime kann sich diesem Sog mehr
entziehen. Ob in Algerien, Libyen, Palästina, Jordanien, Syrien oder
Jemen – überall gärt es. Selbst in den reichen Ölstaaten am Golf
haben es die Menschen satt, sich von selbstherrlichen Autokraten
weiter gängeln zu lassen. Sie wollen ihr Leben selbst bestimmen und
glauben nicht mehr an die Reformfähigkeit ihrer Langzeitregime.
Trotzdem – der Weg zu Demokratie und einer pluralen Zivilgesellschaft
bleibt lang und steinig für Ägypten. Noch hält das Militär die
Schrauben fest angezogen. Noch zeichnet sich keine Übergangsregierung
ab, noch ist die Gefahr eines Putsches in Zeitlupe nicht gebannt.
Denn die Oppositionsparteien sind schwach und zerstritten.

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