Ein Gutachten, in dem prognostiziert wird, wie die
Welt im Jahr 2099 aussieht, ist – höflich formuliert – zumindest mit
Vorsicht zu genießen. Mag sein, dass die Wirtschaftsprüfer, die den
sogenannten Stresstest für die Atomkonzerne erstellt haben, auf Basis
der ihnen vorliegenden Informationen sauber kalkuliert haben.
Ob ihre Rechnung aufgeht, steht allerdings auf einem anderen
Blatt. Mehr noch: Die Gutachter haben gleich sechs Szenarien
entwickelt und kommen dabei zu recht unterschiedlichen Ergebnissen.
Reicht das Geld der Atomkonzerne im besten Fall völlig aus, fehlen im
schlechtesten Fall viele Milliarden. Aber ging es nicht gerade darum,
die Belastbarkeit in Stresssituationen zu überprüfen?
Dass die offizielle Lesart des Gutachtens vergleichsweise
optimistisch ist, kann kaum verblüffen. Denn was wäre die Alternative
gewesen? Hätte am Ende das Urteil gestanden, dass Konzerne wie Eon
und RWE ihren Verpflichtungen nicht nachkommen können, wären die
Auswirkungen für die Unternehmen am Kapitalmarkt verheerend gewesen.
Eine permanente Abwärtsspirale kann indes nicht im Interesse der
Bundesregierung sein. Das Geld der Energieversorger wird schließlich
auch gebraucht, um den Atomausstieg zu finanzieren und die
Steuerzahler zu schonen.
Es bleibt also dabei: Handlungsbedarf besteht. Der Staat sollte
sich besser früher als später Zugriff auf Teile des Vermögens der
Energieversorger sichern, ohne damit den Neustart der Unternehmen zu
gefährden.
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