WAZ: Europas Versagen – Kommentar von Gudrun Büscher

Gaddafi und sein Regime stehen vor dem Untergang. Es
ist das erklärte Ziel des Diktators, möglichst viele Menschen mit
sich zu reißen und Unheil anzurichten. Niemand weiß, wie lange der
Kampf um Libyen noch dauern wird, wie viele Menschen noch sterben
werden, wie viele Ölleitungen er in Brand setzen lässt. Und niemand
weiß, was nach ihm kommt. Der viertgrößte Staat Afrikas hat keine
Opposition, keine Parteien. Es gab nur die Gaddafis. Und die Stämme,
die sich mit dem Ölreichtum des Landes klein halten ließen. In
Scharen werden die Menschen das Land verlassen. Europa wird sich auf
einen Ansturm von Armuts- und Kriegsflüchtlingen einstellen müssen.
Vorbereitet ist der reiche Norden nicht. Hatte man sich nicht gerade
arrangiert mit dem schrulligen, alten Ex-Terroristen, der nicht nur
das Öl sprudeln ließ, sondern Europa auch die Flüchtlinge aus Afrika
vom Hals hielt? Gaddafi hat die Grenzen dicht gemacht und hierzulande
wollte niemand wissen, mit welchen Mitteln. Dabei gab es Hinweise auf
versenkte Flüchtlingsboote und aufgegriffene Migranten, die in
Arbeitslagern verschwanden. Der Umgang mit Gaddafi ist ein
erbärmliches Stück europäischer Diplomatie, ein Trauerspiel. Und das
wird vermutlich nun im Umgang mit den zahllosen Flüchtlingen seine
Fortsetzung finden.

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