Neujahrsempfänge sind normalerweise Sammlungsorte 
selbstzufriedener Regierungsparteien oder eines angriffslustigen 
Oppositionslagers. Norbert Röttgen, im Hauptberuf 
Bundesumweltminister und im Nebenjob neuer Chef der deprimierten 
NRW-CDU, beschreitet einen dritten Weg. Er will seiner Partei 
„geistige Orientierung“ schenken, statt ihr griffige Kampffloskeln 
für die tägliche Auseinandersetzung mit der rot-grünen 
Minderheitsregierung vorzukauen.
   In vier zentralen Themenfeldern solle sich die NRW-CDU erneuern 
und dabei an nicht weniger als den Grundsätzen des christlichen 
Menschenbildes und der langfristigen Schöpfungsverantwortung Maß 
nehmen: Schule, öffentliche Finanzen, Industriepolitik und neue 
Formen der Bürgerbeteiligung. Wenn Röttgen etwa das Nein zur 
Gemeinschaftsschule aus der Personalität des Individuums ableitet, 
vermag dies gewiss seinen Ruf als „Muttis Klügster“ zu festigen. Ob 
sich mit derartiger rhetorischer Virtuosität auch ein 
CDU-Landesverband inspirieren lässt, der auf den Oppositionsbänken 
bislang eine unglückliche Figur macht, muss sich zeigen. Es ist in 
jedem Fall ein spannendes Polit-Experiment.
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