WAZ: Gelebte Diktatur – Kommentar von Frank Preuß zur Verhaftungswelle in der Türkei

Ein Kantinenchef wird verhaftet, weil er sagt, er
würde dem Präsidenten keinen Tee servieren, wenn er zu Besuch käme?
Selbst wenn sich diese groteske Meldung aus der Zeitung „Cumhurriyet“
am Ende wider Erwarten doch noch als Ente erweisen sollte: Man
zweifelt solche Willkür in der Türkei längst nicht mehr an.

Der geringste Widerspruch reicht für einen Aufenthalt im
Gefängnis. Seit dem Putschversuch im Juli hat Recep Tayyip Erdogan
sagenhafte 125.000 Staatsbedienstete gefeuert und mehr als 37.000
Menschen festnehmen lassen. Alles Schuldige? Der türkische Präsident
hat die unabhängige Justiz abgeschaltet, die Gewaltenteilung zerstört
und den Ausnahmezustand zum Regelfall umfunktioniert, um das Illegale
zu legalisieren: Ich bin der Staat, ist sein Credo, niemand
kontrolliert ihn mehr.

Eine große Mehrheit stützt Erdogan, eine große Mehrheit hat ihn
gewählt. Das empfindet er als Ermächtigung, seinen Willen über die
Spielregeln des Rechtsstaates zu stellen. Aber was ist eine
Demokratie wert, wenn der demokratisch Gewählte sie nach der Wahl
praktisch abschafft?

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