WAZ: Gespaltene Gesellschaft – Kommentar von Sinan Sat zur Stimmung unter den Türken

Erst vergangene Woche hat sich ein Bochumer
Politikwissenschaftler und Journalist aus den sozialen Netzwerken
verabschiedet. Er war eine wichtige Stimme, die kritische Nachrichten
aus der Türkei zusammentrug und der Öffentlichkeit zugänglich machte.
Der „Hass“, der ihm dafür von Erdogan-Anhängern entgegenschlug, war
am Ende zu groß.

Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 erklärt
Staatspräsident Erdogan jeden Kritiker zum Terroristen oder
Terroristenunterstützer. Ein simpler Aufruf zum Frieden genügt, um
seinen Job als Professor zu verlieren, ein kritischer Artikel reicht,
um als Journalist im Gefängnis zu landen, Spitzenpolitiker der
kurdischen Oppositionspartei werden reihenweise eingesperrt.

Die Angst vor einer pluralen Gesellschaft gehört in der Türkei
paradoxerweise zur Staatsräson. Denn Pluralismus und Freiheit nach
westlichem Verständnis werden gleichgesetzt mit einem Staat, der
auseinanderzubrechen droht. Unabhängig davon also, ob die türkischen
Wähler am 16. April für oder gegen eine Präsidialdiktatur stimmen,
die türkische Gesellschaft ist gespaltener denn je – ob in der Türkei
oder in Deutschland.

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