WAZ: Hinter hohen Mauern – Kommentar von Frank Meßing zum Schlecker-Prozess

Für Anton Schlecker dürfte es schon eine Strafe
sein, öffentlich auftreten zu müssen und sich fotografieren zu
lassen. Seit seiner Zeit als Europas größter Drogist hat er es
verstanden, sich hinter hohen Mauern zu verstecken. Im Elfenbeinturm
des Erfolgs ist Schlecker offenbar entgangen, dass seine Mitarbeiter
überwacht und geknechtet wurden, dass sein Imperium langsam aber
sicher gegen die Wand fuhr. Wie realitätsfern muss dieser Mann sein,
die drohende Insolvenz seines Unternehmens nicht frühzeitig erkannt
zu haben?

Die fast 24.000 Beschäftigten, die nach der Schlecker-Pleite
arbeitslos gemeldet waren und von denen heute noch viele ohne
Perspektive sind, werden den Prozess gegen ihren früheren Chef mit
Kopfschütteln begleiten. Ob er nun Millionen an die Seite geschafft
hat, dürfte für sie fast schon zweitrangig sein. Bis heute warten sie
vergeblich auf eine Entschuldigung der Schlecker-Familie, für deren
Wohlstand sie sich zum Teil Jahrzehnte aufgeopfert haben. Ihre
Arbeitsplätze würde ein Zeichen der Reue sicher nicht zurückbringen,
ihren Seelenschmerz aber ein stückweit lindern.

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