Im Streit um die Vorratsdatenspeicherung geht die
Bundesjustizministerin in die Offensive. Auch ohne die von der Union
zuletzt vehement geforderte Vorratsdatenspeicherung sei die
Aufklärung von Straftaten mit Internet-Bezug durch die Polizei
möglich. Mit dieser Kern-Aussage begegnete Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) im Interview mit den Zeitungen der
WAZ-Mediengruppe (Mittwoch-Ausgaben) dem Vorwurf von
Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) und dem Chef des
Bundeskriminalamtes, Jörg Ziecke, es gebe „bewiesene Schutzlücken“,
seit das Bundesverfassungsgericht im März das Gesetz über die
pauschale, sechsmonatige Speicherung von Telefon-, Handy- und
E-Mail-Daten gekippt hat. „Gerade bei schweren Straftaten haben die
Ermittlungsbehörden – auch nach dem Urteil aus Karlsruhe – die
Möglichkeit, auf Telekommunikationsdaten zuzugreifen. Das gilt sogar
im Falle von so genannten Internet-Flatrates“, sagte die
FDP-Politikerin. Leutheusser-Schnarrenberger hält die
Vorratsdatenspeicherung für überbewertet. „In 2009 waren bei 4,7
Millionen Strafermittlungsverfahren nur in 0,5 Prozent der Fälle
Telekommunikationsdaten überhaupt von Belang.“ Die Aufklärungsquote
von Straftaten mit Internet-Bezug sei seit 2007 von 82,9 Prozent in
2009 auf 75,7 Prozent zurückgegangen. „Im vergangenen Jahr galt die
Vorratsdatenspeicherung noch. Das zeigt doch deutlich die
Vollzugsprobleme“, sagte die Ministerin und fügte hinzu: „Wenn sich
in Hamburg 1450 Kripobeamte 50 Rechner mit Internetzugang teilen
müssen, wird es schon schwierig mit der Aufklärung. Wenn das BKA nur
30 Experten hat, um gegen Kinderpornografie vorzugehen, ebenfalls.“
Eine anlasslose Datenspeicherung sei ein tiefer Eingriff in die
Vertraulichkeit von Kommunikation. Leutheusser-Schnarrenberger: „Der
Einzelfall rechtfertigt nicht die pauschale Speicherung aller
Kommunikationsdaten von 82 Millionen Bundesbürgern.“ Die Ministerin
forderte, dass ihr Kompromissvorschlag eines
„Quick-Freeze“-Verfahrens „jetzt endlich sachlich diskutiert
gehört. Reine Stimmungsmache hilft der inneren Sicherheit nicht
weiter.“ Bei dem Verfahren, das etwa in den USA praktiziert wird,
können Kommunikationsdaten bei dem Verdacht von schweren Straftaten
„eingefroren“ und später auf richterlichen Beschluss zur Verwertung
durch die Ermittler wieder „aufgetaut“ werden.
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