WAZ: Kraftprobe mit der Bundespartei – Kommentar von Theo Schumacher

Ein Jahr nach der Landtagswahl gewichtet die NRW-SPD
ihre Schwerpunkte neu. Wenn Regierungschefin Hannelore Kraft die
Wirtschafts- und Energiepolitik auffällig oft intoniert und zur
Chefsache macht, besagt das zweierlei: erstens, das Feld wurde durch
ihren Wirtschaftsminister – zumindest öffentlich – vernachlässigt;
zweitens, die SPD merkt, dass sie ihr Heil nicht allein in Bildungs-
und Sozialthemen suchen darf. Der politisch schwer zu handhabende
Umgang mit dem umstrittenen Kohlekraftwerk Datteln zeigt zwar, dass
SPD und Grüne aus ihrer ersten Koalition gelernt haben. Damals führte
der Dauerkonflikt um Garzweiler II die ungleichen Partner mehrfach an
den Rand des Bruchs. Heute agieren sie geschickter, doch es ist
fraglich, ob die SPD davon profitieren wird. Ausgerechnet die einst
so stark industriepolitisch verankerte Partei muss es sich gefallen
lassen, wenn CDU und FDP sie als Standort-Risiko hinstellen. Die
versuchte Profilschärfung kann für die NRW-SPD auf eine Kraftprobe
mit der Bundespartei in der Energiepolitik hinauslaufen. Am Ende wird
man sehen, wie stark Krafts Einfluss in Berlin ist.

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