WAZ: Leitlinien zum Missbrauch – Eine offene Kirche – Kommentar von Walter Bau

Und sie bewegt sich doch. Satte neun Monate hat die
katholische Kirche in Deutschland seit Bekanntwerden der ersten Fälle
von sexuellem Missbrauch in ihren Einrichtungen gebraucht, um eine
angemessene Antwort auf die skandalösen Vorgänge zu geben, die die
Kirche in eine tiefe Glaubwürdigkeitskrise gestürzt haben. Was die
deutsche Bischofskonferenz nun als Leitlinien vorlegt, kommt spät;
gleichwohl zeigt das Papier, dass die Kirche dazugelernt hat. Konnte
man sich zunächst des Eindrucks nicht erwehren, den Kirchenführern
gehe es mehr um Vertuschen als um Aufklären, so haben sich die
Bischöfe nun zu einem klaren Schritt durchgerungen: Bei
Verdachtsfällen wird grundsätzlich die Justiz eingeschaltet; es sei
denn, das Opfer selbst ist dagegen. Dies ist richtig und wird allen
Seiten gerecht. Die katholische Kirche hat in den vergangenen Monaten
durch ihren zögerlichen Umgang mit den Missbrauchsfällen in den
eigenen Reihen viel an Vertrauen und Glaubwürdigkeit eingebüßt.
Daraus müssen die Bischöfe eine Lehre ziehen, die auch für andere
Bereiche gilt: Solange sich die Kirche als geschlossenes System
versteht und sich gegen mehr Transparenz wehrt, wird ihr Einfluss auf
die Gesellschaft weiter sinken. Sie muss sich weiter bewegen.

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