WAZ: Mata Hari als E-Mail. Kommentar von Dietmar Seher

Mata Hari von 1917 ist heute eine E-Mail. Die
Umgarnung gegnerischer Geheimnisträger mit den Waffen der
Geschlechter wird durch einen Anhang ersetzt, der sich zum Öffnen
anbietet. Wer einst dem Flirt erlag, hat jetzt einen Virus im
Rechner, der Geheimdaten ausspäht und an den Absender übermittelt.

Die Spionage des 21. Jahrhunderts zeigt sich unromantisch, obwohl
sie auf die gleiche menschliche Schwäche setzt: Dummheit. Gefährdet
werden nicht nur Staatsgeheimnisse. In der globalisierten Welt sind
mehr noch Wirtschaftsstrategien interessant – vor allem für
ehrgeizige Nationen wie China. Aber E-Spionage kann durch Vorbeugung
abgewehrt werden.

Ungleich gefährlicher sind Versuche, Daseinsvorsorge und
Infrastruktur konkurrierender oder „gegnerischer“ Staaten zu
sabotieren. Auch das geht auf elektronischem Weg. Moderne
Gesellschaften wie menschliche Existenzen hängen davon ab, ob
computergesteuerte Stromnetze Spannung haben, ob Wasser verfügbar
ist, ob die Transportwege funktionieren. Keine Volkswirtschaft
arbeitet ohne diese Grundlagen, keine Klinik kann auf solche
Versorgung verzichten, um Leben zu retten.

Sie am Computer zu unterminieren – das ist nicht nur viel billiger
als Panzer zu schicken. Es ist im Zweifel effektiver. Ob wir es
„Cyber-Krieg“ nennen oder nicht: Die Wirkung ist dieselbe.

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de