Der am Dienstag beginnende Parteitag in Essen kommt
für die CDU nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel in
einer „nicht einfachen Zeit“. Der in Essen erscheinenden
„Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ, Dienstagausgabe) sagte sie,
„wir erleben eine Welt im Umbruch, manche sagen eine Welt, die aus
den Fugen geraten ist. In dieser Lage wird die CDU als Volkspartei
der Mitte Anfechtungen von links erleben, von Rot-Rot-Grün, wie auch
von ganz rechts, von der AfD.“ Vor ihrer Entscheidung, 2017 erneut
als Kanzlerin zu kandidieren, hätten viele ihr geraten, „Du musst das
machen in einer schwierigen Situation, Du bist ein Faktor der
Stabilität“.
Sie trete an im Wissen, „dass ich unserem Land und meiner Partei
davon noch etwas zurückgeben kann und möchte.“ Die Bundestagswahl sei
keine Volksabstimmung über die Flüchtlingspolitik. „Sie wird, wie
jede Wahl, eine Entscheidung darüber sein, wem die Bürger zutrauen,
die Probleme zu lösen und das Land auf gutem Weg zu halten“. Merkel
räumte allerdings ein, die Ankunft so vieler Flüchtlinge habe die
Gesellschaft polarisiert. Sie sehe es als ihre Aufgabe, „möglichst
viele Menschen, die sich nicht verstanden fühlen, zurückzugewinnen.“
Autorisierte Merkel-Zitate:
Frau Bundeskanzlerin, worauf freuen Sie sich beim Parteitag am
meisten und was wollen Sie erreichen? Ich freue mich auf die 1000
Delegierten, mit mir eigentlich 1001. Es ist ein Parteitag in einer
für Deutschland und die Welt nicht einfachen Zeit, wenn ich an den
grauenhaften Krieg in Syrien oder an die globalen
Flüchtlingsbewegungen denke. Und doch kann die CDU auch selbstbewusst
ins Wahljahr starten.
Sie haben gesagt, es werde „ein Wahlkampf, wie wir ihn noch nicht
erlebt haben“. Was erwarten Sie konkret? Wir erleben eine Welt im
Umbruch, manche sagen eine Welt, die aus den Fugen geraten ist. In
dieser Lage wird die CDU als Volkspartei der Mitte Anfechtungen von
links erleben, von Rot-Rot-Grün, wie auch von ganz rechts, von der
AfD.
Sind die stärkere Polarisierung in der Gesellschaft und das
Erstarken der AfD die Folge Ihrer Flüchtlingspolitik? Natürlich hat
die Ankunft so vieler Flüchtlinge die Gesellschaft polarisiert. Erst
ging es um ihre Aufnahme, dann um die Frage, ob sie bleiben dürfen
und sich integrieren werden. Ich sehe es als meine Aufgabe, möglichst
viele Menschen, die sich nicht verstanden fühlen, zurückzugewinnen.
Das kann dann gelingen, wenn wir die entstandenen Probleme gut lösen.
Wird die Bundestagswahl zum Plebiszit über ihre
Flüchtlingspolitik? Sie wird, wie jede Wahl, eine Entscheidung
darüber sein, wem die Bürger zutrauen, die Probleme zu lösen und das
Land auf gutem Weg zu halten. Da geht es um die persönlichen
Lebenswünsche der Menschen genauso wie um Fragen von Frieden und
Sicherheit. Ich habe im Zuge der Regionalkonferenzen der CDU den
Eindruck gewonnen, dass sich die Menschen sowohl mit der
Flüchtlingspolitik als auch mit vielen anderen Themen beschäftigen.
Wie viele Narben hat der gut einjährige Streit mit der CSU
hinterlassen? CDU und CSU haben in einem Punkt, der ohne Zweifel
nicht unwichtig ist, eine unterschiedliche Auffassung. Damit sollten
wir leben können. CDU und CSU haben aber zugleich in so vielen
anderen Punkten, auch beim Thema Zuwanderung, gemeinsame
Auffassungen. Viel schwerer als die Unterschiede wiegt das breite
Fundament unserer gemeinsamen Überzeugungen. Das trägt, und auf dem
werden wir ein gemeinsames Wahlprogramm erarbeiten.
Sie haben kürzlich Ihre erneute Kandidatur angekündigt. Verraten
Sie uns, wann Sie sich tatsächlich dazu entschieden haben? Ich habe
sehr viel darüber nachgedacht, weil eine vierte Kandidatur nicht
trivial ist. Es geht um eine Entscheidung für vier Jahre.
Was gab letztlich den Ausschlag? Mich haben viele ermutigt, die
mir sagten: „Du musst das machen in einer schwierigen Situation, Du
bist ein Faktor der Stabilität“. All denen habe ich gesagt, dass mich
das ehrt, dass ich alleine aber gar nichts schaffen kann, dass ich
die Unterstützung sehr vieler Menschen in meiner Partei und darüber
hinaus brauche.
Ihnen war es immer wichtig, den richtigen Zeitpunkt für den
Ausstieg aus der Politik zu finden. Ihre Amtsvorgänger sind meist
abgewählt oder von ihrer Partei abgeschüttelt worden.
Gibt es in Ihrem Amt überhaupt einen selbstbestimmten Abgang? Das
wird sich zeigen. Es geht um die Abwägung zwischen Selbstbestimmung
und Verantwortung für andere. Es geht ja nicht in erster Linie und
schon gar nicht allein um mich, sondern um die Zukunft unseres Landes
wie auch die der Partei, die mir viel gegeben hat. Ich weiß, dass ich
unserem Land und meiner Partei davon noch etwas zurückgeben kann und
möchte.
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