WAZ: Merkels Gratwanderung. Kommentar von Walter Bau

Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU heute
mit einem Abendessen in Brüssel ihren Gipfel einläuten, steht der
Bundeskanzlerin eine gefährliche Gratwanderung bevor. Gemeinsam mit
Frankreichs Nicolas Sarkozy will Angela Merkel Änderungen in den
EU-Verträgen durchboxen. Viele in der EU sind davon nicht begeistert,
sodass die Reformen vermutlich nur über verfahrenstechnische und
rechtliche Winkelzüge umsetzbar wären. Die Gefahr, dass Merkel
dadurch eine antideutsche Stimmung entfacht, ist nicht gering zu
schätzen.

Das gilt auch für die Inhalte. Merkel fordert eine Schuldenbremse
für alle Euroländer nach deutschem Vorbild. Allerdings: Die Regierung
Merkel selbst plant für nächstes Jahr mal eben 26 Milliarden Euro
neue Schulden ein. Nicht gerade vorbildlich. Und auch dass
Deutschland einst zu den ersten gehörte, die die Defizitgrenze von
drei Prozent, die gerade Berlin heftig gefordert hatte, überschritt,
ist im Ausland nicht vergessen.

Manövriert sich Merkel in die Rolle des Oberlehrers, würden ihre
Kollegen auf stur stellen. Das Gipfel-Ergebnis wäre das Gegenteil
von mehr Stabilität. Und wir wären dem Ende des Euro einen Schritt
näher.

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