WAZ: Ohne Drohbotschaft. Kommentar von Walter Bau

Der Papst macht eine Aussage, die in der
katholischen Kirche seit Langem herrschende Lehrmeinung ist. Eine
Selbstverständlichkeit, möchte man meinen. Doch Franziskus erntet für
seinen Satz, Homosexuelle nicht moralisch zu verurteilen und nicht
den Stab über sie zu brechen, beinahe euphorischen Beifall – ganz so
als hätte er ein jahrhundertealtes Tabu gebrochen. Was ist da
passiert? Entscheidend bei der Erklärung des Papstes ist weniger,
w a s er sagt, sondern vielmehr w i e er es
sagt. Es ist der sprichwörtliche Ton, der die Musik macht: „Wenn
jemand Gott mit gutem Willen sucht, wer bin ich, dass ich über ihn
urteile?“, so Franziskus über den Umgang der Kirche mit
Homosexuellen. Kein erhobener Zeigefinger, keine Drohbotschaft, kein
gestanzter Satz aus dem Katechismus. Auch wenn sich in der Sache
vorerst nichts ändert und praktizierte Homosexualität für die
katholische Kirche eine Sünde bleibt – der Satz des Papstes ist ein
starkes Signal gegen Ausgrenzung und für mehr Mitmenschlichkeit.

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