WAZ: Opferschutz geht vor Täterschutz – Kommentar von Birgitta Stauber-Klein

Wer als Kind missbraucht wurde, bleibt ein Opfer –
lebenslang. Wer das Kind missbraucht, ist nur befristet ein Täter.
Irgendwann kann auch die Anzeige der reinen Weste nichts mehr
anhaben. Diese Gesetzgebung schützt eindeutig die Täter und lässt die
Opfer mit ihrem verkorksten Leben hilflos zurück.

Die Alkoholsucht. Die Unfähigkeit, eine Beziehung zu führen. Die
gescheiterte berufliche Entwicklung. Die Depressionen, die
Selbstmordversuche. Die Folgen des Missbrauchs sind häufig schwere
Traumatisierungen, die ein normales Leben unmöglich machen.

Die Bilder, sagen Betroffene, kommen immer wieder hoch, mitunter
jede Nacht. Bis sie so weit sind, den Täter anzuzeigen, kann es
Jahrzehnte dauern. Ausschlaggebend kann sein, dass sie einen Täter
wiedersehen. Oder sie erfahren, dass der Kinderschänder immer noch
Kinder im Verein trainiert. Vielleicht haben sie auch durch eine
Therapie begriffen, was überhaupt passiert ist.

Eine Anzeige kann helfen, die Taten zu verarbeiten. Wenn aber dem
Opfer mitgeteilt wird, das Gesetz lasse aufgrund der Verjährung
„keine Möglichkeit, die Anzeige zur Anklage zu bringen“, stehen die
Opfer der Justiz ohnmächtig gegenüber.

Bei spektakulären Missbrauchsfällen dreht es sich meist um die
Frage: Wie konnte es so weit kommen? Was ging im Täter vor? Nun ist
es Zeit, den Blick auf die Opfer zu richten. Ein Ende der
Verjährungsfrist ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

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