Unser täglich Brot heißt Fleisch. Menschen nehmen
Gerichte nicht ernst, fehlen ihnen Bratwurst, Kotelett, Steak oder
Bratenstück. So wie die meisten von uns leben, haben unsere Vorfahren
sich einst das Paradies vorgestellt: Gebratene Hühner fliegen einem
geradewegs in den Mund. Sie tun es täglich, millionenfach. Einen
Speiseplan ohne Fleisch empfindet der Deutsche als kulinarische
Unvollkommenheit. Die Rechnung dafür sind nicht die Preise, die auf
dem Schlachtvieh der Discounter kleben: 2,99 für ein dickes Hähnchen,
das ist nur der Bruchteil des Bons. Die Rechnung wird ganz woanders
aufgemacht. In von Massenzucht verursachten Abwässern, derer wir
nicht mehr Herr werden. In Medikamenten, die Jahre später
möglicherweise Arztpraxen beschäftigen – und nicht die der
Veterinärmediziner. Auf die Rechnung für Hähnchen, Schwein, Pute,
Rind gehören auch noch: Gülle, CO2, Futter aus der Dritten Welt…
Diesen Text kann man täglich schreiben. So ähnlich ist er schon
geschrieben worden. Geändert hat sich fast nichts. Wir leben im
Wohlstand, wir leben in einer Wissensgesellschaft. Geschützt vor dem
falschen Weg hat uns beides nicht. Wir glauben, ein Recht zu haben
auf Fleisch. Wir jammern, wenn wieder ein neuer Skandal aus den
tageslichtfreien Ställen entkommt. Wir zeigen satt mit dem Finger auf
die üblichen Verdächtigen: Bauern, Polit-Lobbyisten, Pharmakonzerne,
Futterproduzenten. Das ist das Einfache. Das ist aber auch das Dumme
und Rückschrittliche. Es ist an uns, zu sagen, dass wir das nicht
weiter wollen: Essen, das uns krank machen kann. Tiere, die
funktionieren wie Maschinen. Es ist keine anonyme Übermacht, die uns
dazu zwingt. Alles ist Markt in dieser Welt: Was wir nicht
nachfragen, verschwindet. Wann fangen mutige Schulen und Großkantinen
an: zwei Fleischgerichte pro Woche – und Schluss. Wann zeigt uns mehr
als eine Handvoll Restaurants, dass ein fleischloser Teller keine
lustfeindliche Ausnahme ist? Wer Menschen sagt, gesünderes Essen
ginge zu den Preisen von heute, der belügt sie. Darum hören wir das
selten aus der Politik. Auch sie wird mehr Mut brauchen. Mut, die
Schöpfung zu schützen und damit auch, was sich nicht immer zu Recht
ihre Krone nennt. Fazit: Das gute Leben reicht nicht. Wir brauchen
ein besseres – wo der Verstand regiert und kein faules System. Damit
Verbraucher nicht länger Verursacher sind.
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