WAZ: Ratingagenturen helfen Merkel – Kommentar von Stefan Schulte

Alles entscheidende, wegweisende Krisengipfel haben
Europas Staatenlenker gefühlt dutzendfach angekündigt. Die Krise
focht das nicht an. Im Gegenteil: Sie eskaliert mit jeder Woche,
jedem Rating und jedem Bankenstresstest. Dass Deutschland und
Frankreich auf dem Gipfelgrat vorangehen, ist fast schon so
vorhersehbar wie das „Nein“ ihrer Partner. An seinem Zwang zur
Einstimmigkeit droht Europa zu zerbrechen. Aus Merkels immer
dramatischeren Appellen klingt barer Zweifel. Man kann ihre Konzepte
falsch finden, ihr aber nicht (mehr) vorwerfen, den Ernst der Lage zu
verkennen. Da ist es schon eine Ironie der feineren Art, dass Merkel
dieser Tage niemand so sehr den Rücken stärkt wie die verhassten
Ratingagenturen. Deren Drohung, die Euroländer herabzustufen, kam
nicht zufällig so kurz vor dem Gipfel. Doch was als amerikanische
Nickeligkeit kritisiert wird, wird zu Merkels stärkstem Argument.
Einigt man sich nicht, wird die Drohung wahr und die Finanzmärkte
reißen den Euro entzwei. Klingt wie eine Erpressung, ist auch eine.
Und das Beste an ihr ist, dass Merkel sie zugleich verurteilen und
für sich nutzen kann.

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