WAZ: Schneller Prozess dem Schläger. Kommentar von Thomas Wels

Vermutlich haben Staatsanwälte und Haftrichter mit
Amtssitz in Berlin schon einiges erlebt. Solchen Experten in der
Beurteilung von Gräueltaten darf man trauen. Darf man wirklich?

Es ist mit Vorsicht zu genießen, wenn sich Volkes Stimme und
Justiz verrühren. Gleichwohl muss die Frage erlaubt sein, was Richter
und Staatsanwalt in dem Fall der neuerlichen U-Bahn-Attacke umtreibt.
Sie schicken einen Mann, der einem am Boden liegenden Opfer mit aller
Gewalt auf den Kopf springt, zwar mit Haftbefehl, aber dennoch nach
Hause: erst 18 Jahre alt, bisher unauffällig, ohne
Migrationshintergrund keine Fluchtgefahr, der Nächste bitte. Geht–s
noch?

Formal mag die Justiz korrekt, entsprechend den Vorgaben von
Verfassungsgericht und Strafprozessordnung gehandelt haben. U-Haft
ist keine Strafe, niemand wünscht sich hier Willkür. Und dennoch: Wo
bleibt der Opferschutz? Was sollen Polizisten denken, die die Täter
gejagt haben, bis sie sich stellten? Was all diejenigen, die noch
willens und aufrecht genug sind, an Schlägereien nicht vorbei,
sondern helfend hinein zu gehen?

Video-Aufzeichnungen wie die aus Berlin machen via Internet die
Brutalität öffentlich. Die Justiz darf sich nicht auf bloße
Formalismen zurückziehen. Das Mindeste ist eine Anklageerhebung
innerhalb weniger Tage. Und dann zügig der Prozess.

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