WAZ: Schutzlos durch ganz Europa – Kommentar von Matthias Korfmann zu Flüchtlingskindern

Flüchtlingskinder verschwinden. Eine solche
Nachricht weckt die schlimmsten Befürchtungen. Bundes- und
Landesregierung beeilen sich daher mit beruhigenden Botschaften: In
den allermeisten Fällen sei das „Verschwinden“ gar nicht so
dramatisch. Sie seien eben weitergezogen, hätten woanders Verwandte
gefunden, tauchten gleich mehrfach in diversen Flüchtlingslisten auf.
Die Zahl – 4800 Vermisste – sei überhaupt nicht belastbar.

Dramatisch ist die Lage dieser Kinder und Jugendlichen dennoch.
Zigtausende von ihnen irren durch Europa. Ohne den Schutz von Eltern
und wohlwollenden Begleitern. Ihre Schutzlosigkeit, ihre
Unerfahrenheit, ihre Kindlichkeit machen sie zur leichten Beute von
Menschen, die es eben nicht gut mit ihnen meinen. Wir können davon
ausgehen, dass in dieser Krise viele Minderjährige verschwinden, von
denen keine Behörde je etwas erfahren hat.

In Deutschland wird zwar für allein reisende Flüchtlingskinder
gesorgt, wenn sie sich irgendwo anmelden. Aber
Familienzusammenführungen sind schwer durchsetzbar, bemängeln
Kinderrechtler. Ausländerbehörden und Jugendämter müssen sich erst
darauf einigen, und das dauert. Also verschwinden die Minderjährigen.
Von Dortmund nach Passau, von Hamm nach Stuttgart. Manche ziehen
weiter nach Schweden. Alles nicht so dramatisch? Doch! Man stelle
sich mal die eigenen Kinder in dieser Lage vor.

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