Schneller als vermutet, hat die SPD wieder Tritt
gefasst. Dazu gehörten Disziplin, taktisches Geschick, die Besinnung
aufs Soziale, die tätige Mithilfe von Merkel und Westerwelle sowie
die Leidenschaft, die Sigmar Gabriel als Parteichef vorgelebt hat.
Mit einer mitreißenden Rede hat er auch gestern einen SPD-Parteitag
begeistert. Aber: Ein Jahr ist vergangen, seit die SPD als
Regierungspartei abgestraft wurde. Die Sozialdemokraten haben seither
noch nicht mal den halben Weg zurückgelegt. Was fehlt? Nach innen
eine Reform der SPD, nach außen ausgereifte Gegenentwürfe zur
Regierung. Es besteht die Gefahr, dass vieles in den Anfängen stecken
bleibt, was Gabriel vor einem Jahr in Aussicht gestellt hatte, etwa
mehr direkte Demokratie in der SPD oder die Stärkung der
Kommunalpolitiker. Was die SPD für die Bildung empfiehlt, nämlich
„kümmern statt aussortieren“, ist eigentlich die Grundausrichtung der
SPD. Aber darin steckt die Gefahr eines Missverständnisses: Die SPD
sollte mehr sein als das soziale Gewissen oder als der Betriebsrat
der Nation. Sie muss ihre Wirtschaftskompetenz neu unter Beweis
stellen. Das Fegefeuer der Opposition hat die SPD gut verkraftet. Nun
muss sie herausarbeiten, warum sie 2013 wieder das Vertrauen der
Mehrheit verdient.
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