WAZ: Türkei-Wunder steht auf dem Spiel – Kommentar von Frank Meßing

Erdoğan hat die Türkei zum
Wirtschaftswunderland gemacht. In seinen zehn Jahren als
Regierungschef wuchs das Bruttosozialprodukt um mehr als das
Doppelte, das Pro-Kopf-Einkommen verdreifachte sich. Die
Arbeitslosigkeit sank unter zehn Prozent. Erdoğan holte
ausländische Unternehmen ins Land, die 2011 rund 16 Milliarden Euro
in der Türkei investierten – 635 Millionen aus Deutschland. Doch mit
seinen Wasserwerfern und knüppelnden Polizisten zerstört der
Ministerpräsident die gesunde wirtschaftliche Basis, die er selbst
aufgebaut hat. Erdoğan beschimpft sogar einzelne Unternehmen,
die Sympathie mit den Bürgerprotesten äußern und redet sich die
Talfahrt der türkischen Börsen schön. In seinem Wahn, die
Demokratisierung in seinem Land im Keim zu ersticken, ist
Erdoğan offensichtlich jegliche Antenne abhanden gekommen. Wenn
er damit droht, die Armee gegen Demonstranten aufzuhetzen, begibt er
sich in die internationale Isolierung. Sollten sich Gewalt und
Gegengewalt weiter gegenseitig aufschaukeln, verliert die Türkei ihre
so wichtigen Touristen und Investoren. Märkte sind sensibel. Dem
Wirtschaftswunder droht ein jähes Ende. Auch dagegen kämpfen die
Menschen auf dem Taksimplatz.

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