Vier Tage lang hat Benedikt XVI., der deutsche
Papst, seine Heimat besucht. Angesichts seines hohen Alters könnte es
sein letzter großer Besuch gewesen sein. Die Reise hatte zwei Teile,
einer galt dem Staat, der andere der Kirche. Der erste Teil wurde ein
großer Erfolg. Benedikt hat mit seiner Rede vor dem Bundestag seine
Kritiker beschämt. Er hat den Politikern Maßstäbe für ethisch
begründetes Entscheiden mit auf den Weg gegeben. Und er hat das in
einer einzigartigen intellektuellen Brillanz gemacht. Er hat nicht
missioniert, er hat mitgerissen, aufgerufen zu einem tiefen
Nachdenken über das Wesen von Politik. Und seine Kirche? Sie steckt
tief in der Krise. Sie hofft auf einen neuen Aufbruch. Sie hofft auf
eine Seelsorge, die Menschen, die in und an der Kirchenlehre
scheitern, nicht im Stich lässt. Sie hofft auf Reformen, auf mehr
Ökumene. Benedikt muss sich an seine Vergangenheit erinnert gefühlt
haben. War es nicht genau das, was er schon vor 40 Jahren als den
falschen Weg gebrandmarkt hatte? Der lange Schatten der
Vergangenheit, die alten Konflikte, sie begleiten ihn nun schon ein
langes Theologenleben lang. Aber seine Antworten begleiten die Kirche
hierzulande nun auch schon ein langes Theologenleben lang. Sie
lauten: beten. Im Gebet gibt es Gemeinsamkeit mit der evangelischen
Kirche, im Gebet liegt die Erneuerung der Kirche. Doch wie hatte der
katholische Bundespräsident Christian Wulff zur Begrüßung des Gastes
gesagt: Kirche lebt nicht in einer Parallelgesellschaft; sie lebt
mitten in dieser Welt, mitten in dieser Zeit. Der Papst hat gezeigt,
dass Religion in Deutschland keine Privatangelegenheit ist. Vier Tage
lang war das Kirchenoberhaupt in der Öffentlichkeit präsent. Dieser
Papst des Wortes hat der säkularisierten Welt viel zu sagen.
Eindringlich hat er vor einer Gesellschaft ohne Gott gewarnt, vor
ihrem Egoismus, Individualismus, Selbstverwirklichung um jeden Preis.
Er hat ihr Gott ins Bewusstsein gerufen. Staat und Kirche sind
hierzulande grundgesetzlich getrennt. Aber Benedikt hat gezeigt, dass
das eine das andere bereichert. Religion in Deutschland ist etwas
sehr Persönliches, aber sie ist nicht privat. Fazit: Benedikt lässt
eine verstörte Kirche zurück. Er hat es nicht vermocht, nicht einmal
versucht, Spaltungen zu überwinden. Beten allein hilft der Kirche in
dieser Welt nicht. Sie hat handfeste Probleme. Die lassen sich nicht
wegbeten.
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