WAZ: Vom Zauber der Freiheit. Kommentar von Gudrun Büscher

Tausende leuchtende Ballons markierten die Linie,
auf der einst die Mauer stand. Seit sie zauberhaft und eindrucksvoll
im Abendhimmel über Berlin verschwunden sind, kehrt der Alltag
zurück. Und doch hinterlassen sie eine Leere, die nachdenklich macht.
Die Dankbarkeit und Freude dieser Tage darf nicht darüber
hinwegtäuschen, dass auf dieser Welt mehr Mauern gebaut als
eingerissen werden. Ein Todesstreifen trennt Nord- von Südkorea. Eine
Sperranlage Israelis und Palästinenser, ein gigantischer Zaun Mexiko
und die USA. Auch Europa mauert sich ein. Wo eine Mauer sei, sei das
Herz verschlossen, sagte Papst Franziskus gestern in Rom. Und in der
Realität offenbart jede Mauer die traurigen Grenzen der politischen
Handlungsfähigkeit. Doch wenn der Freudentag der Deutschen eine
Botschaft hat, dann diese: der Freiheitswille der Menschen lässt sich
auf Dauer weder einmauern noch unterdrücken. Die Dinge können sich
zum Guten wenden, das aber geschieht niemals von allein.

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