WAZ: Vorbeugung ist besser. Kommentar von Theo Schumacher

Zahlen mögen unbestechlich sein, aber sie sind auch
unsensibel. Mit den Daten, die das Statistische Landesamt zum Entzug
des Sorgerechts aufbereitet hat, verhält es sich nicht anders. Wird
ein Kind vom Jugendamt in Obhut genommen, so ist das immer ein
dramatischer Vorgang, der in elementares Recht der Familie eingreift.

Wieso steigen die Zahlen? Es mag sein, dass Freunde oder Verwandte
heute eher bereit sind einzugreifen. Das ist allemal besser als mit
dem falsch verstandenen Vorsatz der Nichteinmischung die Augen zu
verschließen, wenn in der Nachbarschaft etwas „nicht stimmt“. Dennoch
bleibt der Grat schmal. Trotz all der Berichte über misshandelte
Kinder im vermeintlichen Schutz ihrer häuslichen Umgebung wäre es
falsch, pauschal den Staat auf den Plan zu rufen. Jugendämter haben
gute Gründe, behutsam vorzugehen. Manchmal erweist sich Zurückhaltung
als klüger, ehe Privatsphäre zerstört wird.

Politisch übersetzt heißt das auch: Bei aller Kritik an der
Ausgabenpolitik der rot-grünen Landesregierung ist ihr Ansatz
richtig, vorbeugend tätig zu werden. Auch das lehren die Zahlen.
Soziale Reparatur ist die schlechteste Antwort. Die teuerste sowieso.

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