WAZ: Wann ist eine Pille zu teuer? – Kommentar von Stefan Schulte

Der wahre Wert eines neuen Medikaments, das
Mediziner als Durchbruch feiern, lässt sich niemals beziffern. Für
Patienten, die dank der neuen Pille geheilt werden, ist er
unermesslich. Dass Krankenkassen stöhnen, wenn sie 60 000 Euro
für einen Patienten zahlen sollen, ist verständlich. Doch für ihre
Debatte über Arzneipreise hat sich die AOK das falsche Beispiel
ausgesucht. Denn die Kritik an einem Mittel, das vielen Menschen
hilft, wird schnell verhallen.

Viel besser wäre es, ein größeres und ärgerlicheres Problem zurück
auf die Agenda zu setzen. Seit 2011 wird jede neue, patentgeschützte
Arznei auf ihren Nutzen geprüft. Das ist gut so.

Dramatisch falsch ist dagegen, alle davor auf den Markt geworfenen
Mittel von der Kosten-Nutzen-Bewertung zu verschonen. Das hatte
seinerzeit die schwarz-gelbe Regierung versprochen, aber nicht
gehalten. Dramatisch deshalb, weil die meisten Neuerungen sich als
Scheininnovationen erweisen. Für teure Pillen, die keinen Deut besser
sind als herkömmliche, geben wir laut Experten jedes Jahr 2,8
Milliarden Euro zuviel aus.

Das ist viel schlimmer als ein hoher Preis für einen medizinischen
Durchbruch.

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