WAZ: Was die Bahn „Verzicht“ nennt. Kommentar von Wolfgang Mulke

Die Deutsche Bahn nennt es „Verzicht“, da die seit
Jahren übliche winterliche Preiserhöhung im Fernverkehr diesmal
ausfällt. Das klingt großzügig und wie ein Geschenk an die Kunden,
die in den vergangenen Jahren auf ihren Reisen allerlei erdulden
mussten. Sind die stabilen Preise also eine Gegenleistung für die
ausgedünnten Fahrpläne im ICE-Verkehr oder Hitzepannen im Hochsommer?

Von Verzicht kann eigentlich keine Rede sein, denn die Bahn greift
nun den Pendlern tiefer in die Tasche. Und das macht sich in der
Bilanz viel stärker bemerkbar als eine mögliche Preiserhöhung im
Fernverkehr. Denn der Nahverkehr transportiert zehnmal mehr
Passagiere und weist einen sechsmal höheren Gewinn vor Zinsen und
Steuern aus.

Ein Zeichen guten Willens musste die Bahn setzen. Die negativen
Schlagzeilen wollen schließlich nicht abreißen. Kaum sind die
defekten Klimaanlagen vergessen, zerkratzt der Konzern mit seiner
sturen Haltung beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 erneut die Politur.
Hätte Bahnchef Grube nun auch noch kräftig an der Preisschraube
gedreht, wäre der Schaden gewaltig gewesen.

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