WAZ: Weniger Politik, mehrÖkonomie – Kommentar von Thomas Wels

Es klingt so einleuchtend: Da sich die Länder in der
EU so unterschiedlich entwickelt haben, was Verschuldung, Löhne und
Produktivität angeht, könne es eingedenk der Euro-Krise nur eine
Lösung geben: eine EU-Wirtschaftsregierung. Es war absehbar, dass
Frankreich den Versuch unternehmen würde, auf der Krisenwelle diesem
Ziel entgegenzureiten. Wer aber glaubt, eine neue Instanz könne
Wirtschaftspolitiken unterschiedlichster Länder koordinieren, der
glaubt auch, ein Zitronenfalter könne Zitronen falten. Eine
Wirtschaftsregierung wäre ein Kurzschluss, herbeigeführt aus Gründen
des politischen Einflusses. Die Franzosen standen immer einer
unabhängigen Notenbank misstrauisch gegenüber. Zuletzt warf Paris
Deutschland vor, mit zu niedrigen Löhnen die Exportindustrie zu
puschen. Löhne werden bei uns aus gutem Grund von Tarifparteien
ausgehandelt, nicht von der Politik empfohlen. Was geschieht, wenn
die Politik zu großen Einfluss nimmt, war in Ostdeutschland zu
besichtigen. Die rasche Lohnangleichung hat dort die Industrie
verjagt. Der Euro braucht nicht mehr politischen Einfluss, sondern
die strikte Einhaltung ökonomischer Regeln.

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