Die Debatte über soziale Ungleichheit kommt mit
Macht zurück, und zwar nicht aus der sozialistischen Ecke, sondern
aus dem Mutterland des Kapitalismus, den USA. Diese Kritik am
Kapitalismus ist nicht links motiviert, sondern liberal, was
vielleicht bei uns schwer zu verstehen ist.
Der amerikanische Aufstiegs-Mythos setzt an beim kleinen Mann, der
es aus eigener Kraft ganz nach oben bringen können soll. Daher werden
in den USA traditionell Erbschaften hoch besteuert, weil ererbtes als
zu Unrecht erworbenes Vermögen gilt – Geld, das nicht aus eigener
Arbeit und verdienter Karriere stammt.
Hierzulande gelten Managergehälter von DAX-Vorständen als
anrüchig, und das mit einigem Recht. Vor 25 Jahren verdiente ein
DAX-Vorstand 20-mal so viel wie ein Arbeitnehmer, heute 200-mal so
viel. Verantwortlich dafür ist der damalige Vorstandschef von
Daimler, Schrempp, der es ungerecht fand, dass Manager in den USA so
viel mehr Geld verdienen konnten als in Deutschland. Schrempp und
seine Kollegen setzten um 1989 das Bonus-Modell durch, der
Shareholder-Value-Kapitalismus war geboren.
Hinzu kommen für DAX-Manager Betriebsrenten in Millionenhöhe, die
etwa auch der Bundestagspräsident Lammert von der CDU nicht
hinnehmbar findet. Der renommierte Sozialhistoriker Wehler erinnert
daran, dass das Bundesverfassungsgericht die derzeitige
Erbschaftsteuerregelung in Deutschland als nicht mehr
verfassungsgemäß einstuft. Weiterer Kritikpunkt ist die
unterschiedliche Besteuerung von Erträgen aus Kapital und Arbeit von
25 zu 45 Prozent.
Daraus leitet der französische Ökonom Piketty ab, mit eigener
Arbeit komme man nicht mehr von unten nach oben. Damit werde zugleich
die Sozialstruktur gefestigt: Einmal oben, immer oben. Und umgekehrt:
Einmal unten, immer unten. Pikettys Buch, ungewöhnlich genug, ist in
den Vereinigten Staaten derzeit ausverkauft. Im nächsten Jahr soll es
in Deutschland erscheinen. Die Freunde der sozialen Marktwirtschaft
sollten über die wachsende Ungleichheit besorgt sein. Unser System
muss von Vielen, nicht von Wenigen getragen werden.
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