WAZ: Weselskys Damoklesschwert – Kommentar von Michael Kohlstadt zum Bahnkonflikt

Die trügerische Ruhe der letzten Monate konnte nicht
darüber hinwegtäuschen: Der Tarifkonflikt zwischen Bahn und GDL war
zwar vordergründig in eine Art Winterschlaf gefallen. Hinter den
Kulissen blieb der Druck im Kessel jedoch hoch. Schon in seiner
Weihnachtsbotschaft an alle GDL-Mitglieder hatte Gewerkschaftsboss
Weselsky die Lokführer mit säbelrasselnder Rhetorik auf einen harten
Arbeitskampf 2015 eingeschworen. Gestern packte der GDL-Chef das dazu
passende Damoklesschwert aus.

Deutschland erlebt gerade nicht nur eine neue Runde in einem der
zähesten Tarifkonflikte der letzten Jahre. Wir werden auch Zeugen,
wie das Grundrecht auf Streik einen Ansehensverlust erleidet, von dem
es sich vielleicht nicht so schnell wiederholt. In den Augen der
Öffentlichkeit erhärtet sich nämlich zunehmend der Eindruck, dass in
diesem Tarifkonflikt etwas grundsätzlich aus dem Ruder gelaufen ist.
Wenn eine vergleichsweise kleine Berufsgruppe zwar das halbe Land
lahmlegen kann, aber am Ende die eigenen Ziele nicht erreicht, dann
stimmt etwas nicht mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Streiken,
allein um Recht zu behalten, das kann nicht der Weisheit letzter
Schluss sein.

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 – 804 6519
zentralredaktion@waz.de