WAZ: Wikileaks handelt unverantwortlich. Kommentar von David Schraven

Die Veröffentlichung der gesammelten Diplomatenpost
der USA ist sicher spektakulär. Ungewohnt offen kann nun jeder lesen,
wie arrogant die Vertreter einer Supermacht über die Mächtigen
anderer Staaten herziehen. Doch wirklich neu sind die meisten
Berichte nicht. Jeder Zeitungsleser weiß, dass Guido Westerwelle als
deutscher Außenminister einen schlechten Start hatte. Überraschend
ist nur, dass auch die USA-Diplomaten dies so sahen.

Tatsächlich sind die veröffentlichten Dokumente eine Sammlung von
Desastern in der öffentlichen Darstellung einer Supermacht. Der
Schaden sollte aber nicht überbewertet werden.

Wenn die Sicherheitsvorkehrungen in den Datennetzen so schwach
waren, dass ein 23-jähriger Mann alle Dokumente kopieren konnte, wie
die US-Militärs behaupten, dann wird jeder halbwegs funktionierende
Geheimdienst der Welt die Daten schon lange kennen.

Unverantwortlich handelt Wikileaks nicht, weil Dokumente
veröffentlicht werden. In einer Demokratie sollte niemand Angst vor
der Wahrheit haben. Unverantwortlich handelt Wikileaks, weil
Informanten der US-Regierung in Diktaturen öffentlich werden und an
den Pranger kommen. Die Angst der Informanten um ihr Leben wird nicht
durch die Bekanntgabe von Halbgeheimnissen gerechtfertigt.

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