WAZ: Zeit zum Umsteuern. Kommentar von Dietmar Seher

Vorweg: Deutschlands Verwaltung bekommt auch gute
Noten: Perfekt, zuverlässig, neutral sei sie. Solches Lob kommt meist
von Ausländern. Ihnen gefällt, dass die Staatsdiener hier im
Vergleich zurückhaltend und sparsam agieren. Nur zwölf Prozent aller
deutschen Beschäftigten arbeiten bei Bund, Ländern und Gemeinden, und
das Gemeinwesen funktioniert im Alltag reibungslos. In England und
Frankreich ist der Staatsdiener-Anteil doppelt so hoch.

Aber darf dies das Ende aller Reformansätze sein? Die spektakuläre
„Arbeitslosigkeit“ der Kreiswehrersatzämter, ausgelöst durch eine
richtige, durchaus einschneidende politische Entscheidung gegen den
Wehrdienst zeigt: Es gibt im Behördenapparat viel Unbeweglichkeit –
und gleichzeitig auch enormen Spielraum, künftig vieles besser zu
machen.

Die Steuerflucht-Skandale der letzten Jahre und das
Dioxin-Desaster haben uns mit der Nase darauf gestoßen. Musste der
Staat gestohlene CD–s kaufen, um Steuersünder zu ertappen? Mussten
erst vergiftete Eier entdeckt werden, um die Lücken der Überwachung
offenzulegen? Weniger Verwaltung, dafür mehr Staat bei Fürsorge und
die Aufsicht. Es ist die Zeit zum Umsteuern.

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