+++ Mindestens 2.200 gefährliche Produkte in Europa
+++ EU-Vorschläge zur Verbesserung der Marktüberwachung reichen nicht
aus +++ Neue Risiken: Digitale Sicherheit muss auch geprüft werden
+++ GroKo muss digitalen Verbraucherschutz und IT-Sicherheit anpacken
Der morgendliche Kaffee aus der Maschine, der Föhn nach der
Dusche, das Entertainmentsystem am Abend: Verbraucherprodukte sind
aus dem Alltag nicht wegzudenken. Sie sind meistens praktisch – aber
nicht immer sicher: Allein im Jahr 2017 gab es 2.200 von der EU
dokumentierte Vorfälle mit gefährlichen Produkten auf dem
EU-Binnenmarkt. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher
liegen. Der TÜV-Verband (VdTÜV) fordert daher von der EU-Kommission
ein wirkungsvolleres Durchgreifen gegen unsichere Verbraucherprodukte
und eine stringente Strategie im Umgang mit den Gefahren durch die
Digitalisierung.
„Wenn Verbraucher im Laden stehen oder im Online-Shop surfen,
können sie kaum erkennen, ob ein Produkt auch wirklich sicher ist,“
erklärt Daniel Pflumm, Experte für den EU-Binnenmarkt beim VdTÜV.
„Letztlich muss er den Angaben des Herstellers einfach vertrauen.“
Vertrauen ist auch notwendige Praxis der Marktaufsichtsbehörden
innerhalb der EU gegenüber den Angaben der Hersteller. Um ein Produkt
auf dem gemeinsamen Markt handeln zu können, genügt nämlich meist
eine CE-Kennzeichnung, die auf keinen Fall mit einem Prüfzeichen
verwechselt werden darf: „Eine CE-Kennzeichnung bringt der Hersteller
selbst an und erklärt damit, alle einschlägigen Anforderungen der EU
erfüllt zu haben,“ so Pflumm. „Es schließt damit weder Irrtum noch
Missbrauch aus und macht auch keine Aussagen zu
Sicherheitsfunktionen, die zeitgemäß wären, aber über das gesetzlich
geregelte Mindestmaß hinausgehen.“
Wer auf Nummer sicher gehen möchte, muss auf das „GS-Zeichen“
achten. Es bedeutet „Geprüfte Sicherheit“ und wird von unabhängigen
Stellen, wie z.B. dem TÜV, nach einer umfangreichen Prüfung vergeben.
Allerdings ist es nicht verpflichtend. „Die Relevanz eines
unabhängigen Sicherheitschecks, bei dem ein Verbraucherprodukt auf
Herz und Nieren untersucht und die Produktion überwacht wird, zeigt
sich allein schon darin, dass bei diesen Produkten rund die Hälfte
erstmal durchfällt,“ erläutert Pflumm. „Sie müssen dann nachgebessert
werden.“ Bei Produkten, die ausschließlich eine CE-Kennzeichnung
tragen, lassen sich kaum Rückschlüsse auf ihre Sicherheit ziehen.
Pflumm: „Die Erfahrung aus den freiwilligen GS-Prüfungen zeigt aber,
dass es viel mehr gefährliche Produkte auf dem europäischen Markt
geben muss, als die Behörden europaweit im Zuge der Marktüberwachung
feststellen.“
Besondere Herausforderungen für die Sicherheit der Verbraucher
bringt die zunehmende Digitalisierung mit sich. „Durch die digitale
Vernetzung im Smart Home werden aus banalen Haushaltsgeräten
plötzlich hochkomplexe IT-Produkte, die mit dem Internet verbunden
sind. Da wird die originäre Funktion des Gerätes fast zur
Nebensache,“ erläutert Marc Fliehe, IT-Sicherheitsexperte beim VdTÜV.
„Hier stellt sich die Sicherheitsfrage besonders beim Datenschutz und
dem Schutz vor Cyber-Attacken.“ Für Verbraucher sind die digitalen
Komponenten eines Gerätes in der Regel eine „Black-Box“: zwar ist
oberflächlich die Funktionalität ersichtlich, die dem Produkt
angeschlossene Cloud und weitere sicherheitsrelevante Parameter des
Produktes selbst, wie zum Beispiel die Aktualität des ausgelieferten
Betriebssystems, bleiben für den Verbraucher jedoch unsichtbar oder
entziehen sich seiner Bewertung. Mehr Sicherheit bedeutet hier vor
allem, dass durch die Einführung und die nachweisliche Erfüllung
entsprechender Sicherheitsstandards ein hohes Sicherheitsniveau über
den gesamten Produktlebenszyklus hinweg erreicht wird.
Um Verbraucher zu schützen, setzt die EU vor allem auf die
Marktüberwachung durch die Aufsichtsbehörden. Sie müssen mit großem
Aufwand gefährliche Produkte auf dem Markt identifizieren und
versuchen, diese dann nachträglich wieder aus dem Verkehr zu ziehen.
Wenn die Behörden aktiv werden, sind aber Menschen unter Umständen
schon gefährdet worden – und: Die Marktüberwachung müsste personell
wie finanziell massiv gestärkt werden, um wirkungsvoll ihren Job
machen zu können. Die EU-Kommission hat dieses strukturelle Problem
erkannt und will ihm mit dem 19.12.2017 vorgelegten „Waren-Paket“
entgegentreten. „Die Vorschläge gehen zwar in die richtige Richtung,
sind aber viel zu halbherzig,“ kritisiert Pflumm. „Sie gelten nur für
ausgewählte Produkte und vor allem fehlen konkrete und einheitliche
Vorgaben über die Intensität von Stichproben am Markt, über die
Angemessenheit behördlicher Ressourcen und über klar definierte
Sanktionen.“
Der VdTÜV fordert daher eine Stärkung der Marktüberwachung, die
über die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission deutlich hinausgeht.
„Flankierend führt aber auch kein Weg daran vorbei, präventive
Prüfungen durch unabhängige private Organisationen, wie dem TÜV, zu
stärken,“ erklärt Pflumm. „Den größten Schutz für die Verbraucher,
die größte Entlastung für die Marktaufsicht und die Steuerzahler
erreicht man, wenn nur die Produkte auf den Markt kommen, die sicher
sind.“ Dabei müssen Bits und Bytes zwingend Bestandteil einer
neutralen Prüfung werden. Hierfür müssen die europäischen
Rechtsvorschriften angepasst werden. „Die Gefahr durch digitale
Sicherheitslücken bei alltäglichen Verbraucherprodukten darf auf
keinen Fall unterschätzt werden,“ erläutert IT-Experte Fliehe.
„Deshalb gehört zum europäischen Verbraucherschutz auch die
permanente Weiterentwicklung einer digitalen Sicherheitsstrategie.“
Hier ist nach Auffassung des TÜV-Verbandes auch die neue
Bundesregierung gefordert: „Digitaler Verbraucherschutz muss ganz
oben auf die politische Tagesordnung der Großen Koalition und muss
mit IT-Sicherheit zusammen gedacht werden. Neben der
Verbraucherberatung brauchen wir die technische Prüfung von
Digital-Produkten, um den Verbraucher auch im digitalen Zeitalter vor
Risiken schützen zu können.“
Weitere Infos: VdTÜV-Position zum Thema: http://ots.de/m2jUo2
Pressekontakt:
Geraldine Salborn
VdTÜV Verband der TÜV e.V.
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
T.: +49 30 760095-400
presse@vdtuev.de
www.vdtuev.de
twitter.com/vdtuev_news
Original-Content von: VdTÜV Verband der TÜV e.V., übermittelt durch news aktuell