Helmut Schmidt erfüllte, vor allem in seinen
letzten Jahren, die Sehnsucht der Deutschen nach einer politischen
Leitfigur. Er zeigte Haltung, bezog Stellung, war unerbittlich in
seinem Scharfsinn und blieb doch menschlich. Er war norddeutscher
Klardenker, nicht Lautsprecher, bei aller Lust am Diskurs. Der
Kontrast zu einer Kanzlerin, die den Kurs erst vorgibt, sobald er
alternativlos ist, schien enorm – von einem Bundespräsidenten, der
sich ein Bobbycar schenken lässt, oder den allermeisten
Gegenwartspolitikern ganz zu schweigen. Helmut Schmidt wurde im Alter
zum Popstar der deutschen Politik. Eigentlich entspricht diese
Wahrnehmung aber weder ihm noch der Politik. Bei allen Verdiensten in
seiner jahrzehntelangen Laufbahn war er doch politisch ein
Gescheiterter. Weil es ihm nicht gelang, die SPD auf seinem Kurs zu
halten, wandte sich die FDP ab. Seine Koalition zerbrach, es folgten
16 Jahre Helmut Kohl. Und es war in seiner Ära, in der sich die
Grünen als Konkurrenz zur SPD formieren konnten. Doch auch der
Politik, der Kunst des Möglichen, wird die Heldenwahrnehmung nicht
gerecht, weil sie Zwänge und Opportunitäten ausblendet. Politiker von
heute können trotzdem von ihm lernen: indem sie weder den
intellektuellen Anspruch noch die Menschlichkeit aufgeben. Politische
Redlichkeit und redliche Politik – wenn das von ihm bliebe, wäre für
Deutschland viel gewonnen.
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