Es gibt Gerichtsentscheidungen, die möchte man gern
begreifen, es gelingt aber nicht. Womöglich, weil dem der gesunde
Menschenverstand im Weg steht. Das gilt auch für die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs, was das Rauchen auf dem Balkon betrifft. Es kann
künftig eingeschränkt und vermutlich durch Rauchzeiten geregelt
werden. Keine Frage: Die Gesundheit von Nichtrauchern darf nicht
durch Raucher beeinträchtigt werden. Kneipen zu verbieten, in denen
Raucher unter sich sind, entspringt indes eher Ideologie als
Plausibilität. Auch das Rauchen unter freiem Himmel einzuschränken,
bildet den Höhepunkt einer schillernden Debatte, die eigentlich nur
mit einem generellen Rauchverbot beendet werden kann, vor allem in
und um Mehrparteienhäuser. Im Sommer musste ein Mieter nach 40 Jahren
seine Wohnung räumen, weil er in seinen vier Wänden geraucht hatte
und sich die Nachbarn durch den Qualm belästigt fühlten, der durch
seine Wohnungstür in den Hausflur zog. Man mag die Beschwerde der
nichtrauchenden Nachbarn grundsätzlich nachvollziehen; doch es ist
die Kombination aus „Belästigung“ und „empfinden“, die die
Entscheidung unverständlich macht. Die Präzisierung auf „das
Empfinden eines verständigen durchschnittlichen Menschen“ ist
unpräzise – es liegt in der Natur des Empfindens, individuell zu
sein. So wird das Beispiel Schule machen und eine Flut ähnlicher
Klagen auf die (ohnehin überlasteten) Gerichte zurollen: wegen
Rauchens in Reihenhaus- und Kleingärten, wegen echter oder
vermeintlicher Belästigungen aller Art. Bekanntlich kann der Frömmste
nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Man
kann (und wir sind auf dem besten Weg) das Zusammenleben mit
Gesetzen, Vorschriften und Regeln überziehen, bis so gut wie keine
Frage mehr offen bleibt. Dann muss man aber auch damit rechnen, dass
aus einem Mit- ein Nebeneinander wird.
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