Weser-Kurier: Kommentar von Susanne Güsten zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan

Demokratie lebt vom Streit, und dabei müssen
Politiker einiges aushalten können. Doch in der Türkei versucht
Präsident Erdogan, eine ganz eigene Definition von Demokratie
durchzusetzen. In seiner „neuen Türkei“ wird die Beleidigung des
Staatspräsidenten scharf verfolgt, und die Behörden kennen auch bei
Teenagern kein Pardon. Das aber lässt sich nicht mit den Grundsätzen
einer Demokratie vereinbaren. In jedem westeuropäischen Land wäre
deshalb die Hölle los. Doch in der Türkei bleibt es weitgehend ruhig.
Natürlich protestiert die Opposition scharf, doch darüber hinaus gibt
es in der Bevölkerung kaum Reaktionen. Der Staatspräsident und seine
Regierungspartei AKP müssen sich kaum sorgen, wegen der vielen
Beleidigungsprozesse bei der Parlamentswahl am 7. Juni große Einbußen
zu erleiden. Für die meisten türkischen Wähler ist die Lage der
Wirtschaft wesentlich wichtiger als die Lage der Meinungsfreiheit.
Auch Kritik aus der EU wird dies nicht ändern. Deshalb liegt es an
der türkischen Zivilgesellschaft, den Präsidenten und seine Anhänger
davon zu überzeugen, dass die Türkei mehr Meinungsfreiheit braucht.
Doch vorerst werden Ermittlungen, Festnahmen und Prozesse wegen
angeblicher Präsidentenbeleidigung wohl weitergehen.

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