Weser-Kurier: Kommentar zu den Pannen beim Jade-Weser-Port

Kennen Sie die Geschichte vom Potemkinschen Dorf?
Ein russischer Feldmarschall hat für die Zarin Katharina II. bunte
Dörfer aufstellen lassen, um ihr das wahre, elende Gesicht der
eroberten Krimgebiete zu verbergen. So wird das auch am 5. August in
Wilhelmshaven sein. Der Jade-Weser-Port wird ein Potemkinscher Hafen
sein. Oben hui, unten pfui. Ein Hafen, der zum ursprünglichen
Eröffnungstermin zwar fertig gebaut, aber nicht betriebsbereit sein
wird. Und spät – fast zu spät – begreifen das nun auch die Politiker
aus Bremen und Niedersachsen. Ministerpräsident David McAllister und
sein Bremer Kollege Jens Böhrnsen haben schließlich wenig Lust, in
eine Reihe gestellt zu werden mit Berlins Bürgermeister Klaus
Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck. Die
beiden mussten kurz vor der Eröffnung verkünden, dass der neue
Berliner Großflughafen wegen Pfuschs am Bau erst im März 2013 seinen
Betrieb aufnehmen kann. Pfusch am Bau – den Vorwurf müssen sich aber
auch die Norddeutschen gefallen lassen. Der Begriff „Schloßsprengung“
hat das Zeug, zum Wort des Jahres zu werden. Vor allem aber müssen
sich die Verantwortlichen den Vorwurf Pfusch beim Krisenmanagement
gefallen lassen. Beim letzten Krisentreffen in Bremen, Ende April,
hatten alle Beteiligten noch vehement bestritten, dass es auch nur
den Hauch eines Zweifels über den offiziellen Eröffnungstermin geben
könnte. Die dabei zur Schau getragene Ernsthaftigkeit von Bremens
Wirtschaftsstaatsrat Heiner Heseler und Niedersachsens
Wirtschaftsminister Jörg Bode hatte schauspielerische Qualität. Denn
schon damals war klar, dass die Betonwand, die die mehr als 220
Löcher in der Spundwand abdecken sollte, nicht vor Ende Juli fertig
werden würde. Und Eurogate als Betreibergesellschaft hatte auch schon
frühzeitig signalisiert, dass die Zeit für den drei Monate dauernden
Probebetrieb nicht ausreichen würde. Deshalb wird nun eine Kulisse
aufgebaut. Bis der eine Milliarde Euro teure Hafen wirklich als
fertig betrachtet werden kann, wird es nun tiefer norddeutscher
Herbst sein.

Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion@Weser-Kurier.de

Weitere Informationen unter:
http://