„Das kann ich Ihnen empfehlen“, diesem Satz des
Arztes ihres Vertrauens folgen Millionen Patienten. Schlucken Sie und
ich dann wirklich die Pille, die uns am besten hilft, oder bessert
sie nur indirekt das Betriebsergebnis der Firma Dr. Nimmersatt? Die
ethische Frage, ob ein Arzt sich in seiner Verschreibungspraxis auf
diese Weise beeinflussen lassen darf, ist längst beantwortet, nicht
nur vom Bundesgesundheitsministerium: Nein, er darf es nicht, erst
recht darf er es nicht, wenn er es dem Patienten, also Ihnen und mir
nicht offenbart. Die juristische Frage wurde gestern vom
Bundesgerichtshof auch für Fachleute überraschend nach den Buchstaben
fehlender Gesetze anders beantwortet: Es ist halt keine
Bestechlichkeit, wenn ein Arzt, der ein Freiberufler und damit nur
seiner Praxis verpflichtet ist, sich fünf Prozent vom Umsatz eines
Medikamentes vergüten lässt und damit versucht wird, dieses
Medikament alternativen Mitteln oder gar Methoden vorzuziehen. Der
BGH nennt das sogenannte Verordnungsmanagement beim Namen, in dem er
von „korruptivem Verhalten“, spricht. Wo liegt also das Problem? „Das
tut man nicht“, ist in einer Gesellschaft der Absahner und
Abkassierer kein Grundsatz mehr, es gilt vielmehr: „Nimm–, was du
kriegen kannst, was nicht verboten ist, kann man machen.“ So halten
es Banker, die beratend die Fonds empfehlen, für die sie die größten
Provisionen bekommen, so lenkt der Versicherungsvertreter seinen
Kunden bei der Tarifwahl und so wird der Kunde vielerorts in eine
ergebnisorientierte Richtung beeinflusst. Der mündige Kunde ist sich
dessen bewusst, spielt mit und kann angemessen agieren. Das
Verhältnis zum Arzt ist jedoch etwas gänzlich anderes, es ist
sensibel, vielschichtig und funktioniert nur auf der Basis von
Vertrauen und Ehrlichkeit. Es ist zudem geprägt durch ein großes
Wissensgefälle und durch einseitige Macht. Die fünf Prozent vom
Umsatz des Pharmaherstellers, dessen Vertrieblerin nun freigesprochen
werden wird, sind in diesem Verhältnis pures Gift. Die Reaktion von
Ärztevertretern zeigt, dass als machbar gilt, was nicht verboten ist.
Deshalb bleibt dem Gesetzgeber nichts anderes übrig, als schleunigst
dafür zu sorgen, dass die Praxis künftig nicht nur als ethisch
verwerflich gelten muss, sondern auch juristisch eindeutig strafbar
ist. So braucht sich der Arzt, der die Entscheidung der Vorinstanz
anders als die Pharmavertreterin auch akzeptiert hatte, nicht zu
ärgern. Er hätte es nicht tun sollen, er soll es nicht tun und ich
hoffe, dass Ihre Ärztin und mein Arzt sich auch ohne gesetzliches
Verbot nicht bestechen lassen wollen.
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