Weser-Kurier: Kommentar zum TV-Duell Kraft gegen Röttgen

Das TV-Duell zwischen SPD-Regierungschefin
Hannelore Kraft und ihrem CDU-Herausforderer Norbert Röttgen ist mit
einem knappen Außenseitersieg zu Ende gegangen. Der bislang als
landespolitisches Leichtgewicht gehandelte Bundesumweltminister hat
bei dem Schlagabtausch um Kita-Plätze und Verschuldung überraschend
die größeren Wirkungstreffer gelandet. Dennoch hat er die amtierende
Ministerpräsidentin nicht so klar geschlagen, dass damit alleine
schon eine Trendumkehr bei der politischen Stimmung für die
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen eingeleitet wäre. In allen
Umfragen liegt die Röttgen-CDU bisher deutlich hinter der SPD, mit
einer Schwankungsbreite zwischen drei und acht Prozent. Angesichts
dieses Vorsprungs blieb Kraft in dem TV-Duell gegen ihren
CDU-Herausforderer weitgehend in der Deckung. Lediglich bei der
Energiepolitik ging sie in die Offensive und stellte Röttgen als
unsicheren Kantonisten für die Wirtschaft hin. Aber als präsidiale
Landesmutter verläuft sich die rauflustige Sozialdemokratin nur noch
selten in der Abteilung Attacke. Viel besser gefällt sich Kraft in
ihrer Paraderolle als Mutter Courage, die trotz akuter
Haushaltsnotlage kein Kind zurücklassen will und deshalb unverdrossen
weiter milliardenschwer in Bildung und soziale Prävention investiert.
Gegen diese sozialdemokratische Bewährungshelferin trat Röttgen in
dem Duell als ein geschliffen schlagfertiger Bürger-Anwalt auf, der
gegen staatliche Bevormundung und öffentlich geschnürte
Rundum-Sorglos-Pakete plädiert. Die SPD-Frau setzt auf Herz, der
CDU-Mann auf Kopf. Derzeit scheint Krafts Strategie aufzugehen. Im
demoskopischen Direktvergleich führt die SPD-Herzdame haushoch vor
dem CDU-Kopfmenschen. Deshalb spielt Kraft seit Wochen auf Halten und
führt mit ihrer SPD einen unpolitischen „Gute-Laune-Wahlkampf“.
Schaden könnte dies am Ende ihrem grünen Koalitionspartner, der sich
im demoskopischen Sinkflug befindet und im laufenden
Landtagswahlkampf mit seinen Ur-Themen Energie und Klimaschutz nicht
mehr durchdringt. Falls die Ökopartei bis zum Wahltag von den
aufkommenden Piraten überflügelt wird, wäre es mit Rot-Grün in
Düsseldorf mangels Mehrheit vorbei. Dann bliebe am Ende wohl nur die
Bildung einer großen Koalition. Vorsorglich haben sich Kraft und
Röttgen bei dem TV-Duell ihrer persönlichen Wertschätzung versichert,
auf ihren historischen Schulfrieden verwiesen und gegenseitig auf
verbale Tiefschläge verzichtet. Beide denken über den Wahltag hinaus.

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